Wie sich die Diabetes-Therapie in 3000 Jahren entwickelt hat
Wenn wir heute über Diabetes sprechen, denken viele an Sensoren, Pumpen oder an präzise Kohlenhydrat-Portionierung. Doch die Geschichte dieser Krankheit reicht weit zurück - bis ins alte Ägypten. Zum Weltdiabetestag 2025 werfen wir einen Blick auf den Weg von den ersten Beobachtungen bis zur modernen Therapie.
Die Anfänge: Zucker im Urin
Schon 1550 v. Chr. beschrieben ägyptische Ärzte im Ebers-Papyrus eine rätselhafte Krankheit mit starkem Durst und häufigem Wasserlassen. Jahrhunderte später bemerkten indische Mediziner, dass der Urin mancher Patienten süß schmeckte und Insekten anzog: der erste Hinweis auf das, was wir heute als Diabetes mellitus kennen. Der griechische Arzt Aretaios nannte die Krankheit „Diabetes“, abgeleitet von diabainein – „hindurchfließen“.
Der entscheidende Durchbruch: Die Rolle der Bauchspeicheldrüse
Im 19. Jahrhundert begann die Medizin, Ursachen zu suchen statt nur Symptome zu beschreiben. 1889 entfernte Oskar Minkowski einem Hund die Bauchspeicheldrüse – und löste damit Diabetes aus. Damit war klar: Die Pankreas spielt eine zentrale Rolle im Zuckerstoffwechsel. Der eigentliche Durchbruch kam 1921: Der kanadische Arzt Frederick Banting und sein Student Charles Best isolierten erstmals Insulin aus Tierpankreas. 1922 erhielt der 13-jährige Leonard Thompson als erster Mensch eine Insulininjektion - und überlebte. Innerhalb weniger Jahre wurde aus einer tödlichen Diagnose eine chronische, aber behandelbare Krankheit.
Vom Labor zum Alltag
Insulin musste gereinigt, standardisiert und in großen Mengen hergestellt werden. Mit Hilfe der Firma Eli Lilly gelang die industrielle Produktion. In den 1930ern entstanden langwirkende Präparate, in den 1950ern wurde die chemische Struktur entschlüsselt, und in den 1980ern begann die gentechnische Herstellung von Humaninsulin.
Ab den 1990er-Jahren kamen Insulin-Pens, Pumpen und kontinuierliche Glukosemesssysteme (CGM) auf - Technologien, die Menschen mit Diabetes ein nie dagewesenes Maß an Kontrolle und Lebensqualität gaben.
Die digitale Ära: Präzision in Echtzeit
Heute verschmelzen Sensorik, Software und Medizintechnik zu geschlossenen Systemen: Pumpen regulieren Insulin automatisch anhand von Gewebszuckerwerten, Apps warnen in Echtzeit vor Hypo- oder Hyperglykämien, und Datenanalysen helfen Medizinern und Patienten, Muster zu erkennen.
Doch trotz aller Fortschritte bleibt eine Konstante: die Verantwortung, den eigenen Stoffwechsel zu verstehen und im entscheidenden Moment richtig zu handeln. Moderne Hilfsmittel können dabei unterstützen - aber sie ersetzen nicht das Bewusstsein für die eigene Behandlung, Lebensweise und Ernährung.
Zeitleiste: 3000 Jahre Diabetesgeschichte auf einen Blick
1550 v. Chr. – Erste Beschreibung von Diabetessymptomen im ägyptischen Ebers-Papyrus
100 n. Chr. – Aretaios von Kappadokien prägt den Begriff Diabetes
1675 – Thomas Willis beschreibt den süßen Geschmack des Urins – „mellitus“
1889 – Oskar Minkowski und Josef von Mering entdecken: Diabetes entsteht nach Entfernung der Bauchspeicheldrüse
1900–1910 – Erste Versuche mit Pankreasextrakten (Zülzer, Paulescu)
1921 – Frederick Banting und Charles Best isolieren Insulin an der Universität Toronto
1922 – Erste erfolgreiche Insulintherapie bei Leonard Thompson
1923 – Beginn der industriellen Insulinproduktion durch Eli Lilly; Nobelpreis für Banting & MacLeod
1936 – Entwicklung von NPH-Insulin (langwirkendes Insulin)
1955 – Frederick Sanger entschlüsselt die Aminosäurensequenz von Insulin
1982 – Zulassung des ersten gentechnisch hergestellten Humaninsulins
1985 – Einführung des ersten Insulinpens (NovoPen)
1996 – Erstes schnellwirkendes Insulinanalogon (Lispro)
2006 – Kombination von Insulinpumpen mit CGM-Systemen wird Realität
2016 – Erste Closed-Loop-Systeme mit automatischer Insulinabgabe
2025 – Fortschrittliche Hybridpumpen und KI-gestützte Algorithmen revolutionieren das Diabetesmanagement
Fazit: Fortschritt braucht Verständnis
Von der antiken Beobachtung bis zum Algorithmus-gesteuerten Closed-Loop-System war es ein weiter Weg - getragen von Forschung, Mut und dem stetigen Wunsch, das Leben mit Diabetes sicherer zu machen.
Der Weltdiabetestag erinnert uns jedes Jahr daran: Jede Innovation baut auf jahrtausendealtem Wissen und kontinuierlicher Forschung auf. Und jede Entscheidung im Alltag – sei es bei Technik, Ernährung oder Glukosemanagement – ist Teil dieser Geschichte.

